Jianhua Wu ist ein schlanker, fast europäisch aussehender Mann, der eisern lächelt und alle Gäste mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt. Sein Deutsch ist fast akzentfrei, obwohl er Chinese ist, und auch die Rolle des Wirts spielt er so perfekt, dass der Gast denken könnte, sie sei ihm in die Wiege gelegt worden. Ist sie aber nicht. Herr Wu ist studierter Maschinenbauingenieur. Die Irrungen und Wirrungen, die das Leben für manche Menschen bereit hält, haben ihn nach Berlin verschlagen. Dreizehn Jahre lang hat er mit seiner Frau in Moabit ein kleines Restaurant geführt, bis er Anfang 2008 an den Kurfürstendamm umgezogen ist und in den Räumen eines ehemaligen Steakhauses ein neues Restaurant eröffnet hat. Es ist das einzige chinesische Restaurant in Berlin, das ohne Glutamat kocht und das eine kleine, aber feine Weinkarte bereithält. Berlins 2-Sterne-Koch Christian Lohse (Fischers Fritz) schaut gern auf dem Nachhauseweg bei ihm hinein.
Gestern war auch ich bei Herrn Wu. Mit Teeblättern geräucherte Ente und Hähnchen nach Gongbao-Art mit roter Chilisauce habe ich gegessen, dazu in dünnen Streifen gebratene Kartoffeln mit scharfem Sichuan-Pfeffer. Jeder Laie schmeckt schon bei der ersten Gabel, dass hier etwas fehlt, was man sonst in jedem chinesischen Gericht findet: eine salzig-süsse Würze, die es fast egal erscheinen lässt, ob Ente, Huhn, Schwein oder Languste auf dem Teller liegen. „Alle Fleisch- und Fischprodukte haben Eigengeschmack“, sagt Herr Wu und lächelt weise. „Dieser Eigengeschmack ist es doch eigentlich, der – zusammen mit den Gewürzen - den Geschmack eines Gerichts ausmachen sollte. Nicht der Geschmacksverstärker.“
Und weil er Recht hat, lassen sich asiatische Gäste nur selten im Hot Spot sehen. So heisst sein Restaurant. Ihnen schmeckt das Essen bei Herrn Wu nicht. Seine Gäste – das sind fast ausnahmslos Deutsche. Genauer gesagt: Berliner Feinschmecker. Sie kommen gezielt ins Hot Spot, oft von weit her, obwohl der Steakhouse-Flair im Speiseraum noch nicht ganz verflogen ist. Herr Wu würde das gern ändern. Aber es fehlt ihm das Geld. Er investiert lieber in Wein. Wein ist seine Leidenschaft. Besonders Bordeaux. Leider bestellten seine Gäste in Moabit nur Bier oder grünen Tee. So musste Herr Wu seine Bordeaux selbst trinken, was nicht schlimm war. Nur hat er es nicht geschafft, alles zu auszutrinken, was er besaß. Deshalb finden sich auf seiner Weinkarte noch heute so berühmte Gewächse wie 1996 Chateau d’Armailhac und ein 1990 Chateau Cos d’Estournel. Und zwar zu Restaurant-unüblichen Niedrigpreisen.
Damit nicht genug. Seit vier Jahren etwa hat Herr Wu seine Leidenschaft für deutsche Weine entdeckt. Seitdem liest sich seine Weinkarte wie ein kleines Who is Who des deutschen Weins. Besonders die feinherben und edelsüßen Mosel-Rieslinge haben es ihm angetan. Zu mir kam er an den Tisch bot mir ein Glas 1994 Riesling Auslese „Wehlener Sonnenuhr“ von Jos. Christoffel an – zum Probieren. „Diese Frische, diese Mineralität, dieses Spiel von Süsse und Säure“ schwärmte er wie ein Profi, und für einen kurzen Augenblick erweichte sein eisernes Lächeln. Glücklicherweise konnte ich gerade noch auf den Auslöser drücken. Hot Spot, Eisenzahnstrasse 66, 10709 Berlin, Tel. 030-89006878, www.restaurant-hotspot.de