Sa, 14.11.2009 | 10:22 Uhr
In dieser Sendung: Ein Besuch des chinesischen Restaurants "Hot Spot" in
Berlin, das letzte Woche seinen zweijährigen Geburtstag feiern konnte und mit
Sicherheit das außergewöhnlichste Berliner Restaurant mit chinesischer Küche
ist.
Zwei Jahre Hot Spot
Das Berliner
Chinarestaurant "Hot Spot" hat auch eine ganz besondere Beziehung zum Wein
und verfügt deshalb auch über eine schier unglaubliche Weinkarte.
Das
Restaurant des Besitzer-Ehepaares Herr Wu und Frau Wang am oberen Kurfürstendamm
hat sich in den zwei Jahren, in denen es existiert, inzwischen zu genau
dem entwickelt, was der Name schon lange versprach, nämlich ein "Hot Spot" zu
sein. Im soeben erschienenen Marcellino Restaurantführer für ganz Deutschland
sind nur drei chinesische Restaurants aufgeführt und somit empfohlen, alle drei
in Berlin, darunter - neben Herrn Raues hoch-preisigem "MA" - selbstverständlich
das "Hot Spot" mit seinen günstigen Preisen für bestes chinesisches Essen,
jenseits des sonst so üblichen China-Süß-Sauer-Einheitsgeschmackes.
Frau
Wang, die sich stets ein bisschen im Hintergrund hält, ist eine wunderbare und
aufmerksame Gastgeberin und ihr Mann Wu, der übrigens gerne Dietrich
Fischer-Dieskau hört und zu wenig Zeit hat, die deutschen Klassiker komplett zu
lesen, gehört mittlerweile zu den bekannten Gastronomen der Stadt und das "Hot
Spot" ist auch nicht sein erstes Restaurant. Berlins einst jüngster Sternekoch,
Peter Frühsammer, erinnert sich:
Peter Frühsammer: Ich
kenne Wu wahnsinnig lange, weil damals, als ich die Rehwiese verkaufen wollte,
kam Wu nach Nikolasee und hat sich das Restaurant angeguckt und wir haben ganz
lange verhandelt, ob er in Nikolaussee, wo mein Sterne-Restaurant damals war,
ein chinesisches Restaurant mit Weinprägung machen kann. Als er angefangen hat,
mit mir damals über Wein zu reden, das war 1995, habe ich gedacht, ich höre
nicht gut: Ein Chinese, der mit mir über Wein diskutiert und richtig Ahnung
hatte - das fand ich schon sehr beeindruckend. Er hat dann abgesagt, weil es ihm
zu weit draußen war.
Wir haben uns lange aus den Augen verloren. Ich
wusste auch nicht mehr, was er gemacht hat, und habe dann gehört, dass es ihn
gibt. Dann bin ich mit meinen Kindern hin und habe die Tür des Restaurants
aufgemacht, habe mich hingesetzt und er kam auf mich zu und sagte: "Sie sind
doch Herr Frühsammer!" Er hat mich sofort erkannt und es war gleich
hochfamiliär, meine Kinder fühlten sich toll betreut. Familie Wu - vor allem
auch seine Frau - das sind ganz herzliche Leute. Ich habe dann gesagt, dass wir
keine Speisekarte wollten, er solle einfach etwas kochen. Er bat mich dann aber
doch, einen Blick in die Speisekarte zu werfen - er war zu dieser Zeit noch
ein bisschen unsicher. In der Zwischenzeit klappt das aber viel besser. Er
hat dann kleine Gerichte vor sich hingekocht, einen ganzen Nachmittag, und dann
kam irgendwann noch meine Frau.
Und seine Weinkarte ist phänomenal.
Und für so wenig Geld - ich weiß gar nicht, wie er da kalkuliert. Er hat so
alte, ausgereifte Rieslinge - gerade im Restsüßenbereich - das ist einfach
super. So eine Karte gibt es in Berlin, glaube ich, nicht noch einmal. Für
Riesling-Freunde, die gerne Restsüß trinken, ist das ein Mekka.
Reiner Veit: Bestlimmt haben Sie einen Lieblingswein
bei Wu, aber haben Sie auch ein Lieblingsessen bei ihm?
Frühsammer: Ja, die Schweinerippchen finde ich
großartig. Ich mag auch die teegeräucherte Ente, wobei die manchmal vielleicht
ein bisschen zu scharf geräuchert ist. Wenn die nicht ganz so scharf geräuchert
ist, finde ich die viel besser. Aber diese Rippchen sind für meine Kinder, für
meine Frau und mich der absolute Favorit.
So schwärmt der "Hot
Spot"-Fan Peter Frühsammer, der mit seiner Frau Sonja "Frühsammers Restaurant"
im Grunewald führt. Die Liste jener Gäste, die das Essen, die Weine, die
Atmosphäre mit Wohlfühlfaktor und vor allem die Gastfreundschaft des Ehepaares
Wu und Wang lieben, ist lang. Der deutsche Botschafter in Peking kommt bei
seinen Berlinbesuchen ebenso vorbei wie deutsche Top-Winzer und Sommeliere und
Berlins Sterne-Köche, allen voran Christian Lohse, dessen Liebe zur chinesischen
Küche schon vor Jahren geweckt wurde:
Christian Lohse: Die hat sich in London entwickelt. Als ich
mit meinem Vater als Zwölfjähriger das erste Mal in London war. Er ging
mit mir durch Soho an einem regen-nassen, kalten Tag. In irgendeiner
chinesischen Kaschemme bekamen wir dann wunderbare Suppen, Essen und Tees
serviert. Da fing meine Liebe für das chinesische Essen an. Dann ging ich
irgendwann als Lehrling nach Dijon, später nach Paris. Paris hatte ja
bekanntlich auch eine China-Town, was allerdings auch eine Vietnam- und
Kambodscha-Town ist, und da habe ich sehr häufig auch gegessen, weil das mein
kleiner Geldbeutel auch gut zuließ. Dann entdeckte ich irgendwann zu meinem
Glück - und auch zum Glück dieser ganzen, wunderbaren Stadt - Herrn Wu. Ich lief
an einem Tag bei ihm vorbei und sah auf einem der Tische eine wunderbare Flasche
"Großes Gewächs" stehen und dachte: 'Entweder hat das ein Gast mitgebracht oder
dieser Mann hat tatsächlich Weine in seinem Restaurant.' Ich ging dann hinein,
und dann durfte ich Herrn Wu und Frau Wang kennenlernen.
Reiner
Veit: Und daraus ist dann eine Freundschaft geworden?
Lose: Daraus ist eine große Freundschaft geworden.
Erstmal ist es so, dass ich die Küche, die dort gekocht wird, sehr gerne mag.
Ich kann leider nicht ganz so scharf essen - das ist ja diese Sichuan-Küche.
Dann weiß ich diese tolle und ehrliche Gastfreundschaft zu schätzen, und ich mag
unglaublich gern diese beiden Charaktere Wang und Wu, die so unterschiedlich
sind, dass sie schon wieder anziehend sind. Und die besondere Vorliebe Herrn Wus
für große Weine dieser Welt - ganz besonders deutsche Weine mit Restsüße aus
allen deutschen Gegenden, wo es so etwas gibt.
Veit:
Kommen wir noch einmal zurück auf das Essen. Es ist ja nicht
nur ungewöhnlich, dass es diese Weinkarte gibt. Auch das Essen schmeckt
nicht so, wie man es sich als 08/15-Essen beim Chinesen vorstellt, das ja - egal
wo man hingeht - mehr oder weniger ähnlich schmeckt. Bei Wu schmeckt es anders.
Lohse: Bei Wu schmeckt das ganz anders. Das hängt
sicherlich damit zusammen, dass er die Sichuan-Küche kocht, die sehr stark
durch seine Familie beeinflusst ist. Er kocht eine so genannte
"China-Mutti-Küche". Das finde ich schon mal sehr gut. Dann verzichtet er auf
Geschmacksverstärker in höheren Dosen oder überhaupt gänzlich auf Glutamat. Er
kocht auch eine frische Küche und ist stetig bemüht, die Produktqualität zu
verbessern und der tägliche Eingang frischer Grundprodukte bestätigt einem das
auch. Das kann man visuell auch verfolgen.
Veit: Gibt
Herr Lohse auch gelegentlich mal den einen oder anderen Tipp, was man ein
bisschen ändern könnte, auch wenn es chinesische Küche ist? Ich habe
gehört, bei der geräucherten Tee-Ente, da war Lohse auch ein bisschen im Spiel.
Lohse: Wir unterhalten uns schon über das Essen und
Trinken, aber ich darf mir nicht anmaßen, über chinesische Küche zu urteilen.
Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass die Tee-Ente ein bisschen zu stark
geräuchert ist. Herr Wu hat das auch sofort zurückgenommen - das Räuchern
zurückgenommen, nicht das Gericht - und berichtete dann, dass die Resonanz der
Gäste jetzt noch besser sei. Das sind natürlich auch so Instinktaussagen, die
aber nicht als Oberlehrer herüberkommen sollen. Das fände ich auch anmaßend.
Aber ich finde es nicht schlimm, dass man bei Freunden vielleicht den einen oder
anderen Hinweis auf solche Dinge gibt.
Veit: Im
Zusammenhang mit "Hot Spot" reden alle von Herrn Wu - man muss
aber eigentlich eine große Eloge auch auf Frau Wang loslassen, denn sie ist
ja auch die große Seele des Ladens.
Lohse: Wie in allen
großen Familien dieser Welt ist eigentlich die Frau die Seele und hält die
Familie zusammen. So ist es da natürlich auch. Herr Wu darf seinen Freiraum
ausspielen, so lange er sich ihr gegenüber freundlich verhält. Frau Wang bedient
mit unglaublicher Herzlichkeit ihre Gäste. Da sollten sich manche Gastronomen
mal eine Scheibe von abschneiden.
So weit der 2-Sterne-Koch Christian Lohse - er ist Stammgast im "Hot Spot"
und mag die Speisen eher nicht zu scharf. Zu den persönlichen
Lieblingsgerichten von Reiner Veit gehören das Lamm, die schon mehrmals erwähnte
geräucherte Tee-Ente, die geschmorten Rippchen, die gedämpfte Aubergine mit oder
ohne Hackfleisch und die Peking-Ente in 5 Gängen.
Aber nicht nur Köche
sind Stammgäste im "Hot Spot", Winzer und Weinhändler sind es auch,
darunter einer der großen Weinhändler Berlins, Georg Mauer von "Wein und
Glas":
Georg Mauer: Einige Winzer luden mich nach einer
Präsentation im letzten Januar zu Wu ins Restaurant "Hot Spot" ein. Ich habe bis
dahin überhaupt nicht gewusst, dass das existiert. Ich war enorm überrascht über
die Tiefe seiner Weinkarte - das ist für ein chinesisches Restaurant absolut
ungewöhnlich - und über seine profunde Weinkenntnis. Mittlerweile bin ich
relativ oft da gewesen und habe die Liebenswürdigkeit und auch dieses
nachhaltige Interesse an der Weinwelt - speziell am gereiften deutschen Riesling
- bei Wu kennen- und schätzen gelernt. Ich habe ihn dann mal im September nach
Trier eingeladen auf die Versteigerung des Großen Rings. Wir haben dann auch
einige Weingüter besucht. Wir waren bei Johann Josef Prüm, bei Egon Müller, bei
Zilliken und anderen. Ich muss sagen: Ich habe noch nie einen chinesischen
Restaurateur kennengelernt, der mit einer solchen Leidenschaft auf unsere
heimischen Weine zugegangen ist wie Wu.
Reiner Veit: Er
hat ja dann auch noch außer den deutschen Weinen eine weitere Leidenschaft - das
sind die Franzosen, die Bordeaux-Weine. Er sagt: "Eigentlich passt Bordeaux noch
viel besser zu chinesischem Essen, als die deutschen Restsüßen."
Mauer: Ja, wenn man an seine im Teeblatt geräucherte
Ente denkt, stimmt das in jedem Fall. Also dazu ein Bordelaiser Wein, ein
Broyard, der schon sekundäre und tertiäre Aromen entwickelt hat - wunderbar! Das
habe ich nämlich neulich bei ihm probiert. Aber die gereiften deutschen
Rieslinge passen auch sehr gut zum Essen. Wenn man bedenkt, dass die zum Teil
vordergründig sehr scharfen Gerichte, die er anbietet - die "Mala"-Gerichte -
ihre Schärfe so fein in den Grundton des Essens eingewoben haben, dann
harmoniert da auch wunderbar ein gereifter Wein mit etwas Restsüße. Wenn
man an das normale chinesische Essen denkt, das durch vordergründige, grobe
Süß-Sauer-Komplexe im Mund definiert ist - damit hat diese Küche überhaupt
nichts zu tun. Zu einer Ananas würde nicht unbedingt ein Riesling passen, weil
die Säure einfach viel zu dominant wäre.
Veit: Diese
ausgesuchte Weinkarte im "Hot Spot" ist eine Sache, aber wenn man dann - und da
schauen Weinhändler natürlich besonders drauf - sieht, was die kosten. Da
macht man dann schon große Augen.
Mauer: Ja, deswegen
gehe ich ja auch so gerne hin, wenn ich mir mal einen guten Wein leisten will.
Aber das hat natürlich zwei Seiten. Einerseits ist diese unglaublich dezente
Preispolitik im Hause "Hot Spot" ein großes Plus für jeden, der gerne tolle
Weine trinkt, die bezahlbar bleiben sollen. Auf der anderen Seite kann sich das
natürlich auch zum wirtschaftlichen Bumerang auswirken. Ich habe auch mit Wu
schon darüber gesprochen, dass manche Weine ja kaum teurer sind, als im
qualifizierten Handel. Also das ist auf Dauer vielleicht nicht haltbar, obwohl
ich mir das als Konsument durchaus wünschen würde.
So weit der Berliner
Weinhändler Georg Mauer, Geschäftsführer von "Wein und Glas" über die Weine und
Speisen im "Hot Spot" in der Eisenzahnstraße Ecke Kurfürstendamm am
Adenauerplatz.
Die Küche, die die beiden chinesischen Köche, die nur
selten mal aus ihrer Küche rauskommen, zubereiten, konzentriert sich auf drei
Regionen des Landes: Sichuan, Jiangsu und Shanghai, und gekocht wird vollkommen
ohne Glutamat. Dieser Geschmacksverstärker ist in so ziemlich jedem anderen
chinesischen Restaurant unnötiges Pflichtprogramm.
Die Inneneinrichtung
des Restaurants, die ist eher unscheinbar und schlicht, da konzentriert man sich
lieber auf die Qualität des Essens und der Weine. Aufgegabelt gratuliert dem
Restaurant "Hot Spot" zum zweijährigen.
Kochbuch-Empfehlung
Im Ullmann-Verlag ist kürzlich der fast 500 Seiten starke Band "Culinaria:
Küche, Land, Menschen - China" erschienen. Autorinnen sind die beiden
Sinologinnen Katrin Schlotter und Elke Spielmanns-Rome, die nach Selbstauskunft
sich aus allen Regionen des Riesenreichs die besten Rezepte aufgeschrieben
haben.
Das Hauptaugenmerk des prächtigen Bandes liegt aber eindeutig auf
der Beschreibung von Land und Leuten, ihrem sozialen und gesellschaftlichen
Umfeld mit all den Veränderungen und dem rasanten Fortschritt Chinas in den
letzten Jahren.
Die versammelten Rezepte stammen mit gleicher
Selbstverständlichkeit aus Edelrestaurants wie Kantinen oder den Küchen der
Bauern. Das einzige, was den Autorinnen schwer anzukreiden ist, das ist die
Tatsache, dass sie in ihren Rezepten immer wieder gern - aber vollkommen unnötig
- den Einsatz von Glutamat empfehlen. Allerdings bezweifle ich, dass man zu
Hause die Rezepte so hinbekommt, wie sie eigentlich schmecken müssen, denn
gerade bei der chinesischen Küche spielt das Gespür des Koches, sein Gefühl für
die richtige Hitze, Brat- und Garzeiten ein bedeutende Rolle und lediglich mit
Milliliter, Gramm- und Zutatenangaben kommt man da nicht weiter und das
Geheimnis der chinesischen Küche lässt sich so auch schwerlich ergründen.
Aber ein schöner Schmöker über Land, Leute und Küche ist "Culinaria
China" durchaus. Das Koch- und Reisebuch von Katrin Schlotter und Elke
Spielmanns-Rome ist im Ullmann-Verlag erschienen und kostet überaus günstige 25
Euro.
Viel versprechender Jahrgang 2009
Vorher aber noch diese
Meldung: Kurz nach dem Ende der diesjährigen Weinlese sprechen die deutschen
Winzer aus allen Weinbauregionen von einem "außerordentlichen" Weinjahrgang
2009. "Dieser Jahrgang wird als ganz großer in die Geschichte eingehen", meinte
sogar der Weinbaupräsident Norbert Weber. Die Witterung sei für die Trauben
nahezu perfekt gewesen, kühle Nächte bei warmen Tagen hätten den Winzern hoch
aromatische und gleichzeitig kerngesunde Trauben beschert. Der Jahrgang werde
sich vor allem durch Weine mit großer Mineralität auszeichnen. Die Erntemenge
dürfte bundesweit aber wohl mit rund 8,5 Millionen Hektolitern etwa zehn bis
fünfzehn Prozent unter dem Vorjahr liegen. In einer der nächsten Sendungen wird
es in "Aufgegabelt" ausführlich um den Weinjahrgang 2009 gehen.
Aufgegabelt - mit Reiner Veit.